Das bekannteste peruanische Gericht ist Ceviche – eine Kombination aus rohem, in Zitronensaft mariniertem Fisch mit Chili und Zwiebeln. Das von ettlabenn gestaltete Chicha in Berlin ist eines der neuen Restaurants, das sich nicht nur diesem kulinarischen Aushängeschild, sondern der gesamten Küche Perus in ihrer Diversität widmet. Die Gestaltung des Interieurs setzt dabei auf eine starke visuelle Ästhetik, Pop Art, Neon und Street Art. Zutaten, die dem Laden seinen Namen geben – denn Chicha beschreibt eine kulturelle Bewegung der einheimischen Peruaner, die aus bunten Farben und lautem Sound besteht. Ihre Einflüsse sind auf den Straßen Limas in Form von farbintesiven und kontrastreichen Plakaten, Street Art und Murals zu finden. Damit passt die Chicha-Kultur hervorragend zu Berlin und seiner brachialen Industrieästhetik die oft in direkter Nachbarschaft zu feudalen High-End Konzepten steht.
Die unterschiedlichen Einflüsse aus Peru und Berlin setzen sich im Chicha zu einem individuellen Mix zusammen. Die Energie und Kraft der südamerikanischen Kultur wird von minimalistischem Understatement mit Augenzwinkern pariert. Interieur und Speisen werden zu stilistischen und dabei harmonischen Gegenpolen. Während auf dem Teller mit dem eingelegten weißen Fisch ein nahezu monochromes Gericht mit zarten Akzenten liegt, setzen einige der Wände auf laute Gesten. Im hinteren Gastraum wird eine Wand wie in einer peruanischen Gasse von authetischen Chicha-Plakaten bespielt, der Künstler John Mc Cam hat gegenüber auf grasgrünem Grund einen weißen Streifen gerollt, nach der Technik des aus der lateinamerikanischen Street Art bekannten Bombings.
Weil die Geschichte der Chicha Bar auf einem Foodmarkt begann und Ceviche ein Street Food Klassiker ist, zieht sich das Thema der Straßensituation durch die Raumgestaltung. Durch die Farben, wenn dunkle Wände eine schummrige Gasse suggerieren, aber auch durch die Beleuchtung, mit Neonröhren und ihren formalen Verwandten. Und abgeleitet von klassischen Straßenküche gibt es Sitzbereiche auf verschiedenen Höhen und zwei Räume, die von einem schwarzen Gitter mit Durchgang abgetrennt werden. Die Pisco-Bar ist im Eingangsbereich platziert und damit bewusst vom Speisentresen getrennt. Wie bei einer klassischen Sushi-Bar können die Gäste sich im Chicha direkt den Köchen gegenüber setzen und Zeugen der Zubereitung sein. Der hintere Raum ist wie ein ruhigerer Hinterhof angelegt, der intimere Tischsituationen bietet.
Das Interieur des Chicha verzichtet auf Chichi. Ein großflächiger Materialeinsatz trifft auf reduzierte Akzente, grafische Details und Musterflächen. Alle Holzelemente wie Bar-Bords, Tischplatten oder die Ceviche-Bar sind konsequent in Seekiefer, einem Holz mit starker Maserung und vielen Astlöchern ausgeführt. Bewusst inszeniert kommt das oft als minderwertig abgestempelte Material zu einer neuen ästhetischen Wertigkeit. Die Beleuchtung über dem Tisch besteht aus Birnen, Kabeln und Fassungen, die im Verbund gehängt und über ein verbindendes Dreieckselement zu einem modernen Kronleuchter zusammengeführt werden.
FOKUS: UDUKURI
Das wichtigste ästhetische Statement setzt im vorderen Gastraum eine Wandverkleidung aus farbig lackierten Holzlatten. Das besondere Verfahren des Udukuri sorgt für außergewöhnliche grafische Effekte. Im ersten Schritt werden die weichen Fasern des unbehandelten Holzes mit einer Bürste entfernt. Darauf werden mehrere Schichten Lack in verschiedenen Farben aufgebracht, die die entstandenen Vertiefungen wieder füllen. Im letzten Schritt wird die Platte plan abgeschliffen und die „Höhenlinien“ grafisch sichtbar. Wie ein Patchwork werden verschiedene Farbkombinationen in senkrechter Ausrichtung nebeneinander kombiniert.
FOKUS: CHICHA KULTUR
Die Chicha-Bewegung basiert eigentlich auf einem Musikstil, der in den für die Musik werbenden Plakaten bald seine eigene visuelle Sprache gefunden hat. Mit einfachen Mitteln gemalte, aber ästhetisch laute, neonfarbene Schriftzüge prangen auf monochromem Grund. Im Berliner Restaurant ist eine Wand zur peruanischen Plakatwand geworden und ist mit authentischen Anschlägen eine Hommage an den Ursprung des Chicha.
FOKUS: WASCHRÄUME
Schwarz spielt als erster und kontrastgebender Layer in der Chicha-Plakatkunst eine wichtige Rolle. Davon inspiriert sind die Waschräume angelegt, deren Fliesen monochrom und konsequent mit schwarzer Tafelfarbe lackiert sind. Der Bereich über dem Fliesenspiegel ist mit peruanischen Zeitungen tapeziert und in Petrol lasiert. Mehrere Eimer bieten dicke bunte Kreidestifte, die zur Interaktion und temporärem Graffiti einladen. Farbakzente setzen die Rohre in Neonorange.